11.11.2024 – Geiss
Der Ort der Geschichten schreibt Geschichte
Am Allerheiligen-Wochenende wurde in Geiss das 33-jährige Bestehen der besonderen Bibliothek im Spycher gefeiert. Die wohl kleinste öffentliche Bibliothek des Kantons Luzern wurde seinerzeit von Vorstandsmitgliedern des Frauenvereins gegründet. Der erste Bestand wurde aus geschenkten Secondhand-Büchern zusammengestellt und die Ausleihe eines Buches kostete einen Franken. Heute gibt es Jahresbeiträge und einen fixen Beitrag aus der Vereinskasse. Die Leiterin ist über all die Jahre die gleiche geblieben und das Angebot erfreut sich grosser Beliebtheit.
«Begonnen hat alles mit einem Gratisinserat im damaligen Vaterland», blickt die Gründerin und heute noch Leiterin Maria Wicki mit einem Schmunzeln und auch Staunen auf das Jahr 1991 zurück. Pfarrer Frey hatte damals im Spycher einen Bücherschrank, der öffentlich zugänglich war. Im Vorstand des Frauenvereins war man aber der Ansicht, dass die vorhandenen Bücher eher verstaubt und zu fromm waren. Weil der Verein kein Geld hatte, kamen die Frauen auf die Idee, mit einem Gratisinserat nach moderneren und gefragteren Secondhand-Büchern zu suchen. «Wir wurden geradezu überflutet von Angeboten und mein Arbeitszimmer war vollgestopft mit geschenkten Büchern». Zuerst war Maria Wicki ein bisschen überfordert von dieser Fülle. Dann habe ihr die Bibliotheksleiterin des Schwestern-Institutes in Menzingen einen grossen Bestand geschenkt und sie zur Führung einer Bibliothek angeleitet.
«Nachmittagelang haben wir dann mit den Vorstandsfrauen Bücher sortiert, eingefasst, in einer Tabelle erfasst und in die Gestelle geräumt», blickte die Leiterin auf die Anfänge zurück.
Von Rosamunde Pilcher bis zum neusten Krimi
Am Anfang sei die Bibliothek eher verhalten frequentiert worden. Mit der Zeit hätte sich dann aber ein konstanter Stamm von treuen Leserinnen gebildet. Es seien bis heute vor allem Frauen, welche Bücher ausleihen und sich über Bücher austauschen. Aber natürlich sind alle Bücherfans willkommen. Heute verfügt die Bibliothek über rund 400 aktuelle Bücher aus den Bereichen Belletristik und Bilderbücher. «Früher hatten wir noch Comics oder Bücher für Schulkinder. Heute ist aber die Schulbibliothek in Geiss sehr gut bestückt und wir haben unser Angebot auf Bilderbücher reduziert», erklärte Maria Wicki dazu. Es sei auch spannend, wie sich der Geschmack der Leserinnen im Verlauf der Jahre verändert habe. Während früher romantische Romane von Rosamunde Pilcher ein Renner gewesen seien, seien es heute eher Krimis oder Biografien von starken Frauen, welche gerne ausgeliehen würden.
Feines Gespür für die Vorlieben ihrer Leserinnen
Seit mehr als 25 Jahren arbeitet Bernadette Galliker ehrenamtlich zusammen mit Maria Wicki in der Bibliothek. Die beiden ergänzen sich auf ideale Weise und sind ständig am Aufstöbern von neuen Büchern, welche in ihre Bibliothek passen könnten. Wenn dann ein Buch nach einem oder zwei Jahren zerfleddert ist und vor ganz viele Ausleihstempel hat, betrachten die beiden das als Lohn für ihre Arbeit und freuen sich, dass sie einmal mehr den Geschmack der Bibliotheksbesucherinnen getroffen haben. Beide sind topmotiviert, ihr kleines Schmuckstück im Spycher in Geiss weiterhin immer am ersten Samstag-Nachmittag im Monat zu öffnen und den Geisser Leseratten neues Futter zu liefern. Anlässlich des kleinen Jubiläums wurde den beiden Leiterinnen von Vertreterinnen der Kirch- und der Einwohnergemeinde für ihr Engagement gedankt.
Marlis Roos